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Zementierung der Ungleichheit: wie die Unternehmen lernten, sich keine Sorgen mehr zu machen, und lernen, die EU-Leiharbeitsrichtlinie zu lieben

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Unternehmen und Agenturen profitieren gemeinsam von einer opportunistischen Klausel in der EU-Leiharbeitsrichtlinie, deren Umsetzung in nationales Recht im VK im Oktober bereits negative Auswirkungen hat, wie der IUL-Mitgliedsverband Unite berichtet.

Um die Vorschrift zu umgehen, dass Leiharbeitskräfte nach 12 Wochen ununterbrochener Beschäftigung gleichen Zugang zum Entgelt und einigen, aber nicht allen Leistungen haben sollten – bei Kündigungsschreiben, Abfindungen oder Rentenleistungen hört die Gleichbehandlung auf –, arbeiten Unternehmen und Agenturen zusammen, um diese Arbeitnehmer/innen zu Festangestellten… der Agentur zu machen.

Gemäß der sogenannten „schwedischen Ausnahmeregelung“ werden Festangestellte der dem Namen nach Leiharbeitsunternehmen nicht mehr als Leiharbeitskräfte angesehen. Im Unternehmensjargon bewirkt dieses Vorgehen „Synergien“ für die Forderung nach „Flexibilität“. Die tatsächliche Synergie beschert dem Nutzerunternehmen großzügige Kosteneinsparungen und gestattet es den Agenturen, ihre Kolonisierung des Arbeitsmarkts auszuweiten.

Mit der Brauerei Carlsberg beispielsweise hatte Unite eine Abmachung getroffen, wonach der Einsatz von Leiharbeit in der Logistik auf rund 15% der Beschäftigten beschränkt werden würde. Dieser Prozentsatz ist überschritten worden, aber trotz Diskussionen mit der Gewerkschaft zur Überprüfung der Lage hat das Unternehmen alle seine Agenturen angewiesen, die auf ihrer Gehaltsliste stehenden Leiharbeitskräfte „fest anzustellen“. Gleichzeitig ist Carlsberg bemüht, gesamtarbeitsvertragliche Regelungen festzuschreiben, wonach neueingestellte Kräfte 80% des Entgelts von dienstälteren Beschäftigten erhalten würden, nach einem Jahr dann 90%. Trotz intensiver Bemühungen von Unite um eine Einigung über eine weitere Aufstockung auf 100% nach zwei Beschäftigungsjahren hat Carlsberg eine solche Vereinbarung abgelehnt. Hier besteht die“ Synergie“ in niedrigen Entgeltraten für einen immer größeren Teil der direkt beschäftigten Arbeitskräfte und der institutionalisierten Vorenthaltung von gleichen Beschäftigungsbedingungen für das wachsende Heer der Leiharbeitskräfte.

Die „Ausnahmeregelung“ ist mittlerweile im Einzelhandelssektor weit verbreitet. Ein Sprecher des Supermarktgiganten Tesko erklärte am 24. Oktober gegenüber der Financial Times: “Die Ausnahmeregelung wird von den Leiharbeitsunternehmen in der Wirtschaft sehr umfassend genutzt, um sicherzustellen, dass Leiharbeit weiterhin wettbewerbsfähig und flexibel ist. Der Ansatz ist von der Regierung, dem British Rail Consortium und der CBI anerkannt worden.“ Was in dieser Stellungnahme fehlt, ist ein Hinweis auf die Rolle der Kunden der Leiharbeitsunternehmen bei der Förderung und Umsetzung dieser Praxis.

Am 26. Oktober berichtete die Financial Times, dass ein Leiharbeitsunternehmen 8000 seiner 25 000 Leiharbeitnehmer/innen in ein festes Arbeitsverhältnis übernehme – einschließlich derjenigen, die in einem DHL-Betrieb arbeiteten, der Teile an eine Jaguar Land Rover-Montagefabrik liefere, wo Druck auf Unite-Mitglieder ausgeübt werde, Verträge zu unterzeichnen, nach denen sie pro Woche bis zu 200 GBP weniger verdienen würden.

Am 31. Oktober erklärte ein Sprecher der Supermarktkette Morissons gegenüber der Internet-Lebensmittelindustrieveröffentlichung JustFood folgendes: „Die Personalvermittlungsagenturen, mit denen wir arbeiten, überlegen schon seit einiger Zeit, wie sie diese Rechtsvorschriften erfüllen sollen. Sie haben dieses Model proaktiv in Erwägung gezogen oder beschäftigen ihre Arbeitskräfte bereits. Über unser Netz von Arbeitsvermittlern werden Morissons Leiharbeitskräfte angeboten werden, die von den Agenturen mit Arbeitsverträgen beschäftigt werden können, die als schwedische Ausnahmeregelung bezeichnet werden.“ Die Morissons-Arbeitnehmer/innen, die unter die Ausnahmeregelung fallen sollen, werden sowohl in der Logistik als auch in der Lebensmittelherstellung beschäftigt.

Angesichts der zunehmenden Tendenz der Unternehmen, zweistufige Vereinbarungen abzuschließen, werden Leiharbeitskräfte, die der „Ausnahmeregelung“ entgehen, feststellen, dass der Vergleichsmaßstab der Gleichbehandlung ein Anfangsentgelt in Höhe des gesetzlichen Minimums oder knapp darüber ist, mit wenigen oder ohne Leistungen.

Die für Lebensmittel, Getränke und Tabak zuständige Unite-Funktionärin Jennie Formby stellt dazu fest: „Leiharbeit ist traditionell als Sprungbrett zu einer Festanstellung beim Gastunternehmen betrachtet worden; diese Vorstöße haben wahrscheinlich eine permanente zweistufige Beschäftigungsstruktur geschaffen. Die Ironie ist, dass die Leiharbeitsregelung, auf die wir uns alle als Mittel zur Verbesserung des Loses der prekären Arbeitskräfte gefreut hatten, faktisch geringe Bezahlung und Mindestbeschäftigungsbedingungen zementiert hat.“

IUF.
IUL - Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit

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